10 Irrtümer über arktisches Meereis & Überleben der Eisbären: Lehrer & Eltern, aufgepasst!

von Dr. Susan Crockford

Sommerlicher Meereis-Verlust kommt endlich in Fahrt: Das einjährige Eis verschwindet – wie in jedem Jahr, seit es vor Millionen Jahren in der Arktis auftauchte. Aber entscheidende Irrtümer, Trugschlüsse und Falschinformationen ranken sich zuhauf um das arktische Meereis und das Überleben der Eisbären. Angesichts des Arctic Sea Ice Day folgen hier 10 Irrtümer, die Lehrern und besonders Eltern bekannt sein sollten:

Hintergrund bzgl. Meereis:

Sommerliches Eis-Minimum 2018 (Quelle: NSIDC):

Winterliches Meereis-Maximum 2019:

Meereis am 7. Juli 2019: Ausdehnung im Frühsommer:

Trotz der Tatsache, dass im Jahre 2019 die zweitgeringste Ausdehnung im Juni seit 1979 verzeichnet wurde (hier), gab es Anfang Juli immer noch genügend Eis in allen Eisbären-Gebieten der Arktis (hier). In vielen Gebieten kommen Eisbärinnen, die im Dezember ihre Jungen geboren haben, im Sommer auf das Festland, bis ihre Jungen alt genug sind, um im folgenden Frühjahr wieder auf das Eis zurückzukehren. Mehr dazu: Andersen et al. 2012; Ferguson et al. 2000; Garner et al. 1994; Jonkel et al. 1978; Harington 1968; Kochnev 2018; Kolenosky and Prevett 1983; Larsen 1985; Olson et al. 2017; Richardson et al. 2005; Stirling and Andriashek 1992.

Zehn Irrtümer und Falschinformationen über Meereis:

1. Meereis ist für die Arktis das, was Erde für einen Wald ist (hier). Falsch: Diese Alles-oder-nichts-Analogie ist ein trügerischer Vergleich. Tatsächlich gleicht das arktische Meereis einem großen See in einem Feuchtgebiet, welcher jeden Sommer etwas austrocknet. Damit wird die Größe des Habitats zum Erhalt von Wasserpflanzen, Amphibien und Insekten etwas verkleinert, ohne aber vollständig zu verschwinden. Lebewesen in diesen Feuchtgebieten sind an dieses Habitat angepasst: Sie sind in der Lage, das reduzierte Wasserangebot in der trockenen Jahreszeit zu überleben, weil es in jedem Jahr auftritt. Genauso wird sich auch immer Meereis im Winter neu bilden und bis zum Frühjahr erhalten bleiben. Während der etwa 2 Millionen Jahre, in denen sich Meereis in der Arktis bildet, gab es immer Eis im Winter und Frühjahr (sogar in noch wärmeren Interglazialen als heute). Außerdem weiß ich nichts von auch nur einem einzigen Klimamodell, welches prophezeit, dass sich während der nächsten 80 jahre oder so kein neues Wintereis bildet. Mehr dazu hier: Amstrup et al. 2007; Durner et al. 2009; Gibbard et al. 2007; Polak et al. 2010; Stroeve et al. 2007.

2. Eisbären brauchen sommerliches Meereis um zu überleben (hier). Falsch: Eisbären, die im Vorfrühling ausreichend Nahrung in Gestalt junger Seelöwen zu sich genommen haben, können von ihrem Fett fünf Monate oder länger zehren (hier) bis zum Herbst, egal ob sie den Sommer auf dem Festland oder im arktischen Packeis verbringen. Eisbären fangen nur sehr selten Seelöwen im Sommer (hier), weil nur erwachsene Seelöwen mit viel Erfahrung, Raubtieren auszuweichen, vorhanden sind. Außerdem bieten die vielen Löcher im sommerlichen Packeis den Seelöwen viele Fluchtmöglichkeiten (siehe BBC-Video unten). Eisbären und die Seelöwen der Arktis brauchen das Eis nur vom Spätherbst bis zum Vorfrühling (hier). Mehr dazu: Crockford 2017, 2019; Hammill and Smith 1991:132; Obbard et al. 2016; Pilfold et al. 2016; Stirling 1974; Stirling and Øritsland 1995; Whiteman et al. 2015.

3. Eis-Algen sind die Grundlage allen Lebens in der Arktis (hier). Nur teilweise richtig: Plankton gedeiht während des arktischen Sommers auch im offenen Wasser und bildet dort die Nahrungsgrundlage für die Fisch-Spezies, von denen Ringel- und Bartrobben abhängig sind, um sich für den langen arktischen Winter ausreichend Fettreserven anzufressen. Jüngere Forschungen haben nachgewiesen, dass weniger Eis im Sommer Gesundheit und Überlebenschancen von Ringel- und Bartrobben verbessert hat (hier) im Vergleich zu den Bedingungen während der achtziger Jahre (mit einer kürzeren eisfreien Saison und weniger Fischen als Nahrungsgrundlage): Als Folge davon waren üppige Robben-Bestände ein Segen für die Eisbären, sind diese doch von den Robben als Nahrung im Vorfrühling abhängig. Zum Beispiel prosperieren Eisbären in der Barents-See um Spitzbergen (hier), ebenso wie die Eisbären der Tschuktschen-See – und das trotz eines ausgeprägten Rückgangs des sommerlichen Eises in der Arktis. Beides steht im Widerspruch zu Prophezeiungen aus dem Jahr 2007, was dazu führte, die Eisbären als ,gefährdet‘ einzustufen. Mehr dazu: Aars 2018; Aars et al. 2017; Amstrup et al. 2007; Arrigo and van Dijken 2015; Crawford and Quadenbush 2013; Crawford et al. 2015; Crockford 2017, 2019; Frey et al. 2018; Kovacs et al. 2016; Lowry 2016; Regehr et al. 2018; Rode and Regehr 2010; Rode et al. 2013, 2014, 2015, 2018.

4. Offenes Wasser im Vorfrühling ist ebenso wie die sommerliche Eisschmelze seit 1979 unnatürlich und dem Überleben der Eisbären abträglich (hier). Falsch: Schmelzendes Eis ist eine ganz normale Phase jahreszeitlicher Änderungen in der Arktis. Im Winter und Frühjahr erscheinen ein paar Flächen offenen Wassers, weil Wind und Strömungen das Packeis umverteilen – das ist kein Abschmelzen, sondern die ziemlich normale Bildung von Polynyas* sowie deren Ausweitung. Polynyas sowie sich verbreiternde Streifen an Küsten (hier) sind eine vorteilhafte Mischung von Eis-Plattformen und offenem Wasser mit reichlich Nährstoffen (hier). Dies zieht die Robben der Arktis an und bietet exzellente Jagdmöglichkeiten für Eisbären. Die folgende Karte zeigt kanadische Polynyas und küstennahe Streifen offenen Wassers während der siebziger Jahre. Ähnliche Flächen offenen Wassers bilden sich im Frühjahr regelmäßig vor der Küste Ostgrönlands und entlang der russischen Küsten des arktischen Ozeans (hier). Mehr dazu: Dunbar 1981; Grenfell and Maykut 1977; Hare and Montgomery 1949; Smith and Rigby 1981; Stirling and Cleator 1981;  Stirling et al. 1981, 1993.

[*Polynyas = Als Polynja (auch Polynya, Polynia) bezeichnet man eine große offene Wasserfläche oder dünne Meereisschicht im arktischen oder antarktischen Meereis, die eine Fläche von mehreren Tausend Quadratkilometern erreichen kann. Quelle]


5. Klimamodelle sind für Prognosen von Eisbär-Habitaten gut geeignet (hier). Falsch: In meinem jüngsten Buch The Polar Bear Catastrophe That Never Happened erkläre ich, dass der Rückgang sommerlichen Meereises um fast 50%, der nicht vor dem Jahr 2050 erwartet worden war, bereits 2007 aufgetreten und seitdem konstant geblieben ist (und trotzdem gedeihen die Eisbären). Das ist eine außerordentlich schlechte Leistung der Vorhersage von Meereis. Außerdem hat erstjähriges Eis bereits eine Menge vieljährigen Eises in den südlichen und östlichen Gebieten des kanadischen Arktis-Archipels ersetzt (hier) – zum Vorteil der Eisbären. Mehr dazu: ACIA 2005; Crockford 2017, 2019; Durner et al. 2009; Hamilton et al. 2014; Heide-Jorgensen et al. 2012; Perovich et al. 2018; Stern and Laidre 2016; Stroeve et al. 2007; SWG 2016; Wang and Overland 2012.

Vereinfachte Prophezeiungen im Vergleich zu Beobachtungen bis zum Jahr 2007 (nach Stroeve et al. 2007). Im Jahre 2012 war das Meereis sogar noch geringer ausgedehnt und lag in allen Folgejahren unter dem prophezeiten Niveau.

6. Das Meereis wird immer dünner, was für die Eisbären ein Problem ist (hier). Falsch: Einjähriges Eis (weniger als 2 Meter dick) ist das beste Habitat für Eisbären, weil es auch das beste Habitat für die Robben ist. Sehr dickes vieljähriges Eis, welches durch erstjähriges Eis ersetzt worden ist und das in jedem Sommer vollständig abtaut, bietet noch bessere Lebensbedingungen für Robben und Eisbären im Frühjahr, wenn beide es am dringendsten brauchen. Dies ging besonders in den südlichen und östlichen Gebieten des kanadischen arktischen Archipels vor sich (Karte der Meereis-Verteilung im September 2016 unten). Infolge derartiger Änderungen der Eisdicke hat sich die Eisbär-Population im Kane-Becken vor Nordwest-Grönland seit Ende der neunziger Jahre mehr als verdoppelt. Mehr dazu: Atwood et al. 2016; Durner et al. 2009; Lang et al. 2017; Stirling et al. 1993; SWG 2016.

7. Eisbären in der westlichen und südlichen Hudson-Bay haben das größte Risiko, infolge der globalen Erwärmung auszusterben (hier). Falsch: Der Eisrückgang in der Hudson Bay war in der gesamten Arktis der Geringste. Die Meereis-Abnahme in der Hudson Bay (siehe die Graphiken unten) erfolgte an weniger als einem Tag pro Jahr seit 1979 im Vergleich zu über 4 Tagen pro Jahr in der Barents-See (hier). Außerdem war es zu dem Rückgang in der Hudson Bay einmalig als plötzlicher Sprung im Jahre 1998 gekommen: es gab keinen langsamen und stetigen Rückgang. Seit dem Jahr 1998 ist die eisfreie Saison in der westlichen Hudson-Bay insgesamt etwa drei Wochen länger als es während der achtziger Jahre der Fall war. Während der letzten 20 Jahre jedoch gab es keine darüber hinaus gehende Verlängerung (hier) trotz der Abnahme des arktischen Meereises insgesamt und trotz gestiegener Kohlendioxid-Emissionen (hier). Mehr dazu: Castro de la Guardia et al. 2017; Regehr et al. 2016.

8. Das Aufbrechen von Meereis in der westlichen Hudson Bay erfolgt jetzt drei Wochen früher als während der achtziger Jahre (hier). Falsch: Das Aufbrechen erfolgt jetzt 2 Wochen früher im Sommer als während der achtziger Jahre. Die Gesamtlänge der eisfreien Saison ist jetzt etwa 3 Wochen länger (mit sehr großer Variation von Jahr zu Jahr). Mehr dazu: Castro de la Guardia et al. 2017; Cherry et al. 2013; Lunn et al. 2016 sowie im folgenden Video. Dieses zeigt den ersten entdeckten Bär außerhalb des Eises in Cape Churchill, westliche Hudson Bay am 5. juli 2019 – fett und gesund nach guter Ernährung im Frühjahr:

9. Winterliches Meereis hat seit 1979 abgenommen, was das Überleben der Eisbären gefährdet (hier). Nur teilweise richtig: Während das winterliche Meereis (März) graduell seit 1979 abgenommen hat (siehe die Graphik der NOAA unten), gibt es keine Hinweise darauf, dass dies negative Auswirkungen auf Gesundheit und Überleben der Eisbären hat, war doch der Rückgang ziemlich minimal. Die Graphik mit der Meereis-Verteilung zu Beginn dieses Beitrags zeigt, dass im Jahre 2019 immer noch sehr viel Eis vorhanden war – mehr als genug, um den Bedürfnissen der Eisbären und deren primärer Beute (Ringel- und Bartrobben) zu genügen. Und das, obwohl die Ausdehnung die siebt-niedrigste war seit 1979.

10. Experten sagen, dass es mit 19 verschiedenen Unter-Populationen von Eisbären in der Arktis 19 Szenarien bzgl. des Meereises gibt (hier und hier), was impliziert, dass dies genau das ist, was sie die ganze Zeit prophezeit hatten. Falsch: Um das zukünftige Überleben von Eisbären vorherzusagen, ordneten Biologen des US Geological Survey im Jahre 2007 Eisbär-Untergruppen verschiedenen Meereis-Arten zu (was sie dann ,Eisbär-Ökoregionen‘ nannten; siehe folgende Graphik). Ihre Prognosen bzgl. Überleben der Eisbären basierten auf Vermutungen, wie sich die Eisverhältnisse in diesen vier Meereis-Gebieten mit der Zeit verändern würden (wobei violett und grün gefärbte Gebiete gleichermaßen extrem verwundbar sind durch die Auswirkungen des Klimawandels). Allerdings zeigt sich, dass die Variationen viel größer sind als erwartet: Im Gegensatz zu den Prognosen gab es in der Barents-See einen viel stärkeren Rückgang sommerlichen Meereises als in jeder anderen Region. In der westlichen und südlichen Hudson Bay war der Rükgang relativ gering (siehe auch Punkt 7). Mehr dazu: Amstrup et al. 2007; Crockford 2017, 2019; Durner et al. 2009; Atwood et al. 2016; Regehr et al. 2016.

References

Aars, J. 2018. Population changes in polar bears: protected, but quickly losing habitat. Fram Forum Newsletter 2018. Fram Centre, Tromso. Download pdf here (32 mb).

Aars, J., Marques,T.A, Lone, K., Anderson, M., Wiig, Ø., Fløystad, I.M.B., Hagen, S.B. and Buckland, S.T. 2017. The number and distribution of polar bears in the western Barents Sea. Polar Research 36:1. 1374125. doi:10.1080/17518369.2017.1374125

ACIA 2005. Arctic Climate Impact Assessment: Scientific Report. Cambridge University Press. See their graphics package of sea ice projections here.

AMAP 2017. [ACIA 2005 update]. Snow, Water, Ice, and Permafrost in the Arctic Summary for Policy Makers (Second Impact Assessment). Arctic Monitoring and Assessment Programme, Oslo. pdf here.

Amstrup, S.C. 2003. Polar bear (Ursus maritimus). In Wild Mammals of North America, G.A. Feldhamer, B.C. Thompson and J.A. Chapman (eds), pg. 587-610. Johns Hopkins University Press, Baltimore.

Amstrup, S.C., Marcot, B.G. & Douglas, D.C. 2007. Forecasting the rangewide status of polar bears at selected times in the 21st century. US Geological Survey. Reston, VA. Pdf here

Andersen, M., Derocher, A.E., Wiig, Ø. and Aars, J. 2012. Polar bear (Ursus maritimus) maternity den distribution in Svalbard, Norway. Polar Biology 35:499-508.

Arrigo, K.R. and van Dijken, G.L. 2015. Continued increases in Arctic Ocean primary production. Progress in Oceanography 136: 60-70. http://dx.doi.org/10.1016/j.pocean.2015.05.002

Atwood, T.C., Marcot, B.G., Douglas, D.C., Amstrup, S.C., Rode, K.D., Durner, G.M. et al. 2016. Forecasting the relative influence of environmental and anthropogenic stressors on polar bears. Ecosphere 7(6): e01370.

Castro de la Guardia, L., Myers, P.G., Derocher, A.E., Lunn, N.J., Terwisscha van Scheltinga, A.D. 2017. Sea ice cycle in western Hudson Bay, Canada, from a polar bear perspective. Marine Ecology Progress Series 564: 225–233. http://www.int-res.com/abstracts/meps/v564/p225-233/

Cherry, S.G., Derocher, A.E., Thiemann, G.W., Lunn, N.J. 2013. Migration phenology and seasonal fidelity of an Arctic marine predator in relation to sea ice dynamics. Journal of Animal Ecology 82:912-921. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2656.12050/abstract

Crawford, J. and Quakenbush, L. 2013. Ringed seals and climate change: early predictions versus recent observations in Alaska. Oral presentation by Justin Crawfort, 28th Lowell Wakefield Fisheries Symposium, March 26-29. Anchorage, AK. Abstract below, find pdf here:http://seagrant.uaf.edu/conferences/2013/wakefield-arctic-ecosystems/program.php

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